Vor vielen Jahren – ich kann sie nicht mehr zählen – wurde ich als kleines schmächtiges Bäumchen gepflanzt.
Der Bauer, der mich pflanzte, hatte gleich nebenan ein großes Anwesen. Seine Familie erfreute sich jedes Jahr an meinen süßen goldgelben Birnen. Ich sah die Nachkommen in mehreren Generationen heranwachsen.
Nun bin ich ein knorriger alter Baum geworden, den keiner mehr beachtet.
Früchte trage ich schon lange nicht mehr und niemand interessierte sich für mich.
Als ich eines abends wieder einmal sehr traurig war, kam eine Elfe zu mir hergeflogen. Ich dachte immer, Elfen seien kleine zarte Wesen. Aber diese war wohl von einer anderen Sorte. Sie hörte mich klagen und tröstete mich. Sie sagte, dass ich die schönen Seiten meines Lebens auch betrachten soll und ich sicherlich in meinen langen Lebensjahren vieles erlebt und gesehen habe. Und da Elfen auch manchmal neugierig sein können, bat sie mich, ihr davon zu erzählen.
Seitdem besuchte sie mich jeden Abend, lehnte sich an meinen Stamm und hörte meine Geschichten.
Ich erzählte ihr von meinen süßen saftigen Birnen und dass sich jeder daran erfreute.
Am nächsten Abend erzählte ich ihr vom alten Bauern, der mit seiner Familie oft auf ausgebreiteter Decke in meinem Schatten die Nachmittage verbrachte.
Ich erzählte, wie die Kinder heranwuchsen und im Reigen fröhlich um mich herumtanzten.
Auch erfuhr die Elfe, wie sich der Jungbauer und seine Braut unter meinem Geäst ewige Treue schworen und ein Herz in meine Rinde ritzte.
Eines Abends zog ein schweres Unwetter auf.
Die Elfe lehnte sich wie gewohnt an meinen Stamm und wollte Geschichten hören. Als ich zu erzählen begann, fuhr plötzlich ein mächtiger Blitz in mich und spaltete
meinen Stamm . . .
Wenn du genau hinschaust, kannst du die Elfe, wie sie mit verschränkten Armen an meinem Stamm lehnt, sehen.
© Traudi
Ich habe schon einige Jahre auf dem Buckel (naja, Buckel habe ich ja keinen, aber ihr wisst schon, was ich meine). Dass ich nicht mehr der Jüngste bin, sieht jeder.
Und was ich so alles erlebt habe – da könnte ich erzählen, erzählen, erzählen…
Eine Geschichte fällt mir dabei gleich ein. Ich bin nämlich ein Hotel. Oder besser gesagt, ich war mal eins. Die vielen Jahre machten mich knorrig und die vermieteten Zimmer sind verfallen oder leer. Wer will denn noch in einem Altbau wohnen?
In meinen Glanzzeiten war ich ein gesunder Bursche. Im Sommer hingen meine Äste voll roten Kirschen. Viele Vögel besuchten mich und zwitscherten fröhlich ihre Melodien und naschten natürlich auch von meinen Früchten. Zwischen meinen Blättern suchten sie schattige Stellen auf und waren zufriedene Gäste.
Ich erinnere mich, als sich Herr Specht – ein fleißiger Zimmermann – in meinem Stamm häuslich einrichtete. Meine zwitschernden Gäste im Geäst waren von dem starken Klopfen genervt, aber was sollten sie machen?
Immer wieder fand Herr Specht hinter meiner Rinde etwas zu futtern, doch gleich ging's weiter mit der Arbeit. Wenn man sich häuslich einrichtet, gibt man sein Bestes. Bald darauf zog die Familie Specht ein und bald schon schlüpften die Jungen.
Im nächsten Jahr kam dann eine weitere Spechtfamilie hinzu, die sich daneben ebenfalls häuslich einrichtete.
Es war lustig, zuzusehen, wenn die Eltern der Jungen fleißig Futter für sie holten. Das war harte Arbeit. Dabei sperrten die Jungen ihre Schnäbel auf, soweit es ging.
Nun stehe ich hier und denke an die besseren Zeiten zurück. Viel ist nicht von mir übriggeblieben, auch die beiden Specht-Wohnungen sind schon lange leer. Schatten kann ich auch nicht mehr spenden und nur selten bekomme ich Besuch.
© Traudi
Mein Name ist Baum.
Ich werde euch eine Geschichte erzählen.
Hast du schon mal über die Gemeinsamkeiten nachgedacht, die wir Bäume und ihr Menschen haben?
Obwohl wir verschieden sind, hängen wir voneinander ab. Unser gemeinsames Haus ist die Erde. Viele spezielle Fähigkeiten hat uns die Natur verliehen.
Wir Bäume können viele Pflanzen und Tiere beherbergen.
Wie ein Hotel geben wir ihnen Lebensraum, ohne den sie nicht existieren könnten.
Hast du gewusst, dass bis zu 300 Insektenarten auf einem Baum leben können?
Ihr Menschen habt herausgefunden, wie ihr Bäume nutzen könnt. Unser Holz ist für euch wertvoll, ihr könnt Häuser, Schiffe und vieles mehr bauen.
Der wichtigste Schatz des Baumes ist aber der Sauerstoff.
Vor Millionen Jahren war die Luft auf der Erde für euch Menschen nicht geeignet.
Sie enthielt große Mengen giftiges Kohlendioxid. Aber zusammen mit anderen Pflanzen lernten wir, aus diesem Gas Sauerstoff herzustellen. Wir gaben Sauerstoff in die Atmosphäre ab und ermöglichten die Entwicklung des Lebens und wurden so zur grünen Lunge unserer Erde.
Unser Leben änderte sich mit der wachsenden Anzahl von Menschen.
Für euch Menschen war die Energie der Sonne nicht genug. Es wurden zusätzliche Energien genutzt, damit es beispielsweise in der Nacht hell ist, um es im Winter warm zu haben, um schnell an einen anderen Ort zu kommen. Immer mehr Energie wird benötigt, die ihr aus dem Verbrennen von Kohle, Öl und Erdgas gewinnt.
So kommt der Kohlenstoff in die Atmosphäre und verursacht die Erwärmung.
Mein Leben ist nicht so, wie es sein sollte. Mit meiner Gesundheit steht es nicht zum Besten, ich leide unter vielen Krankheiten.
Das Wasser, das als Regen vom Himmel fällt, ist nicht mehr sauber. Meine geschädigten Wurzeln können kein Wasser mehr absorbieren. Die Blätter fallen zu früh vom Baum.
Ihr Menschen wisst, dass ihr Teil der Natur seid. Alles, was ihr der Natur zuleide tut, wird sich auf uns alle auswirken.
Mit dieser Geschichte wollte ich euch klipp und klar sagen, dass die Zukunft in euren Händen liegt.
© Traudi
Sind wir nicht gut gewachsene schöne Birken?
Ein bisschen stolz darauf sind wir schon. Das gebe ich zu.
Als Baum mit dem ersten Grün als Sinnbild des erwachenden Lebens habe ich bei Hochzeiten, zu Kirchenfesten, wie zum Beispiel Fronleichnam, meinen festen Platz.
Und zum 1. Mai stellt man schönen Mädchen eine Birke vors Haus.
Meine weiße Rinde vermittelt Reinheit und Frische, Unberührtheit und Makellosigkeit. Ich bin sozusagen der Baum mit der „weißen Weste“, der nach außen sauber und rein wirkt. Auch werden aus Birkenreisig Besen gebunden, was ja auch mit Sauberkeit zu tun hat.
Bei den Kelten waren Birken ein Symbol für die Wiedergeburt der Sonne im ersten Monat des Sonnenjahres.
Und an Lichtmess kommt die Birke in Person der Heiligen Brigid von Kildare zu besonderen Ehren.
Ich genieße jeden Windhauch, der verspielt durch meine Blätter säuselt und natürlich auch jeden Sonnenstrahl, der durch mein Geäst schlüpft.
Kurzum: Ich bin ein Wonnebaum.
© Traudi
Eine prächtige Linde war ich einst.
Ein Jahr nach dem Deutsch-Französischen Krieg hat man mich gepflanzt. Man schrieb das Jahr 1872.
Und ein Jahr vor meinem 150. Jubiläum wurden meine Äste abgesägt, weil ich zu schwach war, das viele Laub zu stemmen.
Der Stamm bekam viele Wunden und Risse. Immer wieder wurde versucht, mir mittels Drahtseilen Stütze zu geben, bis es einfach nicht mehr möglich war.
Als abgesägtes Naturdenkmal stehe ich nun hier und schaue in die traurigen Augen der Menschen, die auf der Bank Schatten suchten. Schade, dass ich ihn nicht mehr spenden kann.
Die Friedenslinde ist ein Naturdenkmal in Esslingen-Zell.
Auf diesen Bildern (die ersten beiden) hatte sie noch alle Äste.
Anmerkung (Dezember 2022):
Ich begleitete dieses Naturdenkmal das ganze Jahr 2022 hindurch und fotografierte es monatlich.
Hier kann man sehen, was aus ihr geworden ist.
Gnome gibt es überall,
von Flensburg bis Bad Reichenhall.
Ich habe sie gesehen, es waren so viele,
sie trieben mit mir die tollsten Spiele.
Sie verstecken sich – und ich suche
sie zwischen den Ästen der großen Buche.
An den Stämmen sind sie leicht zu finden,
dort verkriechen sie sich hinter den Rinden.
Frech schauen sie zwischen den Ästen hervor,
manchmal sind auch Blätter davor.
Doch ich kann sie immer wieder entdecken,
da können sie sich noch so gut verstecken.
© Traudi
Ich wurde als Sommerlinde um 1400 gepflanzt und stehe im Garten des Unteren Schlosses in Alfdorf.
Mein mächtiger Stamm hat einen Umfang von 11,5 Meter, gemessen in einer Höhe von über einem Meter.
Bei meiner Größe von etwa 21 Meter habe ich einen Kronendurchmesser von etwa 24 Meter.
In meinen über 600 Jahren habe ich viel erlebt und durchgemacht.Zum Beispiel bin ich bei einem mächtigen Gewitter im Jahr 1884 durch einen Blitzeinschlag auseinandergebrochen. Damals war ich 34 m hoch.
Und 24 Jahre später bin ich oberhalb des unteren Astkranzes ausgebrannt.
Zum Glück habe ich das alles überlebt und konnte mich wieder einigermaßen erholen.
Ja, das Alter macht mir und vor allem meinen Stamm ober besser gesagt meinen mittlerweile vier Stämmen zu schaffen. Deshalb werde ich mit Eichenbalken gestützt.
Im Jahr 1908 habe ich Gesellschaft bekommen. Es wurde in die Mitte meines abgestützten Baumkranzes eine junge Linde gesetzt, eine Winterlinde.
Heute bin ich stolz, ein Naturdenkmal zu sein.
© Traudi
August 2024